Vortrag: Kolonialrecht als Ambiguität

Prof. Dr. Matthias Goldmann, LL.M. (NYU)

EBS Law School (Deutschland)

Zeit: 20.3.2025, 12:00 Uhr
Ort: Raum L603, 6. Stock | Rechtswissenschaftliche Fakultät | Sigmund Freud Universität | Lassallestraße 3, 1020 Wien

 

Kolonialrecht – das ist das durch Kolonialmächte vornehmlich zur Zeit des historischen Kolonialismus gesetzte Recht, einschließlich des Völkerrechts der „zivilisierten Staaten“. Nach dem Selbstverständnis dieser Staaten, die im Lauf des 19. Jahrhunderts selbst zunehmend rechtsstaatliche und demokratische Regierungsformen einführten, war Recht eine notwendige Voraussetzung einer gerechten Ordnung. Auch das auf Ungleichheit beruhende koloniale Recht war von dieser Warte aus eine Notwendigkeit, da legitime Herrschaft ohne Recht nicht mehr denkbar gewesen wäre. Diesem Selbstverständnis steht eine historisch-materialistische Lesart des Kolonialrechts gegenüber, wonach Letzteres lediglich der Verschleierung oder Beschönigung rücksichtsloser Eroberung gedient habe. Der Vortrag stellt diesen Sichtweisen eine dritte gegenüber, wonach das Kolonialrecht von vielen Akteuren mit ganz unterschiedlicher Stoßrichtung geprägt wurde, so dass das Resultat weniger eine klare Strategie, sondern vielmehr eine tiefsitzende Ambiguität auszeichnet. Die Einsicht in die Ambiguität kann einige der Knoten lösen, an denen derzeit die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit in ehemaligen Kolonialmächten hadert. Das betrifft auch Fragen der Restitution kolonialer Objekte und der Reparation für die Schäden des Kolonialismus.

 

Anmeldung bitte bis 19.3.2025 unter: konrad.lachmayer@jus.sfu.ac.at

Biography

Matthias Goldmann studierte Jura in Würzburg, Freiburg (CH) und an der New York University. Er promovierte mit einer an der Schnittstelle von Völker- und Verfassungsrecht angesiedelten Arbeit zum Begriff der internationalen öffentlichen Gewalt. 2015 erhielt er von der Volkswagen-Stiftung eine Freigeist-Fellowship. 2016–2021 war er Juniorprofessor an der Goethe Universität Frankfurt a. M.; seit 2021 bekleidet er einen Lehrstuhl für Internationales Recht an der EBS Universität in Oestrich-Winkel (Nähe Wiesbaden). Im Nebenamt ist er Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Von 2017 bis 2022 war er Editor-in-Chief des German Law Journals. Er publiziert v.a. zur Geschichte und Theorie des Völkerrechts; zur Verfassungsvergleichung (Band „Weimar Moments“ in Vorbereitung bei OUP, mit Agustín José Menéndez); sowie zur politischen Ökonomie der Wirtschaftsverfassung (Monographie „The Constitution of Capital“ in Vorbereitung)